Wanderausstellung Gesichterpaare

Die bei dieser Wanderausstellung vom Sonderschullehrer und Kunsttherapeut Jörg Rinninsland zu Paaren zusammengestellten Gesichter sind eine Auswahl aus über 130 Gesichter-Plakaten, die im Rahmen des Kunst-Projekts „Die Tage der 100 Gesichter“ der Kunstwerkstatt der Wilhelm-Bläsig-Schule entstanden sind. Die Wilhelm-Bläsig-Schule ist als Krankenhausschule wesentlicher Bestandteil des Hegau-Jugendwerks in Gailingen am Hochrhein, einem neurologischen Rehabilitationszentrum für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene.

 Mitarbeiter wie Patienten und Rehabilitanden waren gebeten worden, ein Gesicht auf einen DIN A1-Bögen zu malen. Weitere Vorgaben gab es nicht. Die Werke sollten ganz so sein, wie die momentane Befindlichkeit, die individuellen Möglichkeiten, Fähigkeiten und Ansichten es zuließen. Allen - und hier vor allem den Mitarbeitern - wurde Anonymität zugesichert.

 Die Gesichter wurden 1999 für 14 Tage im Gelände der Einrichtung präsentiert. Dabei wurde deutlich, dass auch Insidern es nicht spontan möglich war, die Bilder der als gesund und arbeitsfähig geltenden Mitarbeitern von den Bildern zu unterscheiden, die die zur Zeit des Entstehens teilweise schwer behinderten Rehabilitanden geschaffen hatten. Es stellte sich die Frage nach einem differenzierteren Behinderungsbegriff. Es wurde sichtbar, dass nie jemand so ganz gesund oder ganz behindert ist. Jeder trägt immer überdurchschnittliche, mäßige und auch eingeschränkte, ja behinderte Anteile in sich - und dies aus allen möglichen sozialen, emotionalen, kognitiven und motorischen Bereichen. Es ist letztlich eine Frage der Gewichtung der einzelnen Anteile und ihrer Relevanz für die Teilnahme am gesellschaftlichen Vollzug, wenn wir anfangen, pauschal von „Behinderung“ zu sprechen.

 Schwere Schädel-Hirnverletzungen sind weit reichende Daseinskrisen, die das Leben der Betroffenen, aber auch die Welt der Angehörigen aus den Angeln heben können. Über Monate und Jahre sind die Betroffenen in Kliniken und Rehabilitationseinrichtungen und arbeiten an der Beseitigung oder Kompensation der vielfältigsten Beeinträchtigungen und Behinderungen. Eine Garantie auf Heilung gibt es nicht. Keiner weiß, wie gut alles wieder werden wird.  

Für die Rehabilitanden ist es in vielerlei Hinsicht hilfreich, wenn sie nicht nur als Symptomträger, als (zur Zeit) behindert von ihrer Umwelt wahrgenommen werden. Durch die Tage der 100 Gesichter wie durch diese Ausstellung der Gesichter-Paare soll der Blick auf die positiven Seiten, auf die starken und gesunden Anteile ihrer Person gelenkt werden. Es ist eben schön, (wieder) etwas zu können, nachdem zunächst alles so hoffnungslos schien. Dabei ist wichtig, dass der Erfolg von der Umgebung auch wahrgenommen wird. Und Erfolg motiviert natürlich und macht weitere Erfolge oft erst möglich. 

Ganz bewusst sind die Gesichter der präsentierten Paare, von denen immer eines von einem Rehabilitanden und eines von einem Mitarbeiter geschaffen wurde, nicht zugeordnet. Statt dessen wird etwas von den Umständen preisgegeben, unter denen jeweils eines der Gesichter entstanden ist.  

     

Vielleicht kommen Sie als Besucher der Ausstellung so dem Feld der Rehabilitation, vielleicht auch dem Feld der Behinderungen und zuletzt sogar auch sich selbst ein bisschen näher. Dies wäre ein schöner Erfolg dieser Ausstellung und ganz im Sinne der Rehabilitanden und Rehabilitandinnen des Hegau-Jugendwerks.

Jörg Rinninsland

 

Oktober 2002 im Städtischen Klinikum Karlsruhe


März 2011 in  Würzburg
anlässlich der
14. Würzburger Aphasie-Tage im Foyer der Universität                              .


Juni 2017 in  Radolfzell
anlässlich der
"Langen Nacht der Bodenseegärten"
im Natur-und Heilgarten der Heilpraktikerin Sabine Christ  

   





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